Donnerstag, 27. März 2014

Verkauft



Ich selbst komme an die Gefühl von damals nicht heran, wenn ich heute traurig bin deswegen, liegt es daran, weil ich hier zuhause eine 6 Jährige Tochter habe. Ich war genauso alt, als ich das erste mal verkauft (ich glaube es war das erste mal) wurde... ganz frisch eingeschult. Und wenn ich dann sehe wie winzig sie noch ist... DAS tut dann weh. Ich stell mir dann die Frage, wie kann man so einem kleinen Kind weh tun und dann wird mir bewusst... ich war so ein Kind. Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen, nur eben ohne Gefühl. Ich weiß ich hatte angst und schmerzen. Aber dann stell ich mir die Frage, weiß ich es weil es nur logisch ist, das ich angst und schmerzen hatte, oder weiß ich es, weil irgendwo in mir die Erinnerung daran ist.

Wenn ich Artikel über Kinderprostitution oder Kinderpornografie sehe, schließe ich die Zeitung, oder klicke sie im Internet weg. Oft schließe ich eine Weile die Augen um die Bilder nach innen zu drängen und oft genug gelingt es mir auch.
Die Sätze dort in den Artikeln erzählen von mir. Denn ich war so ein Kind.

Aber sie erzählen nur die Dinge aus der Sicht Erwachsener. Die Artikel berichten aus einer Distanz die ich nicht ertrage.
Kaum jemand der diese Erfahrung nicht gemacht hat, weiß von was er überhaupt dort spricht. Es sind immer die Täter die im Vordergrund stehen. Kaum jemand schreibt über die Kinder.

Und das liegt nicht daran, dass man diese Kinder schützen will, es liegt einfach daran, das sich niemand traut da näher heran zu gehen. Es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz: Der Erwachsene möchte Kinder rein halten und das was man aus uns machte, hat mit Reinheit so gar nichts mehr zu tun. Der Schmutz wird nie wieder weg gehen, er hat sich in unsere Haut gebrannt, wie ein Branding mit einem einzigen Buchstaben: Ein großes Blutrotes P, für Pornografie, für Prostitution.


Wir sind die Schatten in solchen Artikeln, in Wahrheit sind wir nie da gewesen, uns gibt es nicht. Es wird immer nur der Täter derjenige sein der im Vordergrund steht, bei dem man Kinderpornos gefunden hat.
Kein Mensch traut sich zu dokumentieren wie es den ehemaligen Opfern geht. Was dieser Handel aus ihnen gemacht hat. Ob sie ein normales Leben führen können und wie sie das Ganze überhaupt überlebt haben.

Es geht den Berichterstattern nicht darum, zu zeigen: "Sie sind so stark gewesen, sie haben es trotzdem erreicht Erwachsen zu sein" Wir bleiben die ewigen Kinder, die festgefroren auf Bilder gebannt und während der Film immer und immer wieder abläuft und seine Runden zieht von Hand zu Hand unter Ladentheken und im Internet auf undurchsichtigen Seiten, haben wir gelernt zu überleben auf kalten Erdboden und unter unserem Blut und zwischen großen und kleinen Leibern die alle die gleichen Ängste hatten.

Wir sprechen nicht darüber, weil das alte Programm immer noch abläuft:

SCHWEIGE STILL MEIN KIND!

Es ist diese Programmierung - Nein nicht mehr die von einst. Es geht nicht mehr um Erwachsene die uns mit dem Tod drohen, oder drohen das andere Sterben, wenn wir das Schweigen brechen.
Heute sind es die Medien die erwarten, dass wir schweigen, wir immerwährende Opfer haben uns genauso zu benehmen. Wir sollen schweigen, damit das Image des Reinen nicht verloren geht. Man will in dieser Welt nichts wissen, über Kinder die mit 6 Jahren prostituiert und pornografiert wurden, deren Gesichter immer noch auf Leinwände gebannt sind.
Unsere Gesellschaft will glückliche Kinder haben mit glücklichen Eltern, die Hand in Hand lachend über eine Wiese laufen.

Mein Körper trägt all die Wunden noch in sich... aber alles ist bedeckt.. Ich habe es überlebt, in mir gibt es 12 Persönlichkeiten die sich mein Leben mit mir Teilen. Da gibt es nur ein Kind in mir, Grid, die sich in eine winzige Ecke verzogen hat, sie lebt dort schon so lange ich denken kann. Hin und wieder kommt sie hervor und dann tanzt meine Tochter mit ihr Hand in Hand und dann geht sie wieder. Stumm wie eh und je...
Grid kann nicht sprechen und meine Autisten sich nicht verständigen, das sind die einzigen sichtbaren (bis auf meine Narben, aber die sieht ja niemand...) Anzeichen meines Missbrauchs...

Manchmal - ganz ganz selten - da kann ich ganz tief rein schauen, dann fühle ich immer wieder aufs Neue ein Gefühl von Hilflosigkeit, Trauer, Ohnmacht, sich nicht wehren können, dem Ausgeliefert zu sein. Fluchtgedanken, Sterben... mir platzt fast die Brust vor Panik - aber das ist so selten und wenn mir nicht gerade ein Artikel über den Weg läuft in dem davon berichtet wird, das man bei irgendeinem reichen Pinkel auf dem PC Kinderpornos aus den 70gern fand - geht es mir heute - trotz des blutroten Buchstaben  P eigentlich ganz gut.

Alles Liebe von Jo/ Johanna



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