Montag, 10. März 2014

Mütter - TRIGGER!

Johanna und Shaya 2009



Bin gerade mächtig Getriggert...
Körperlich zittere ich wie Espenlaub.

Meine Schwester ist 19 Jahre jünger als ich und ich habe sie nur zweimal kurz gesehen, kurz nach der Geburt und einmal da war sie glaube ich 12 Jahre alt, wir haben erst seit zwei Jahren über Facebook kontakt aufgenommen und chatten hin und wieder. Nicht sehr lange und auch nicht sehr intensiv.  Vor vielleicht einem Jahr habe ich erfahren, dass sie ihren Sohn zur Adoption frei gegeben hat. Wenn ich sie danach frage sagt sie: "Ich will nichts von ihm wissen".

Das Problem ist, dass sie immer noch mit unserer Mutter in Verbindung steht. Das ist der Grund warum ich mich bisher geweigert habe sie zu treffen, obwohl das ihr sehnlichster Wunsch ist.

Eben hatten wir wieder ein kurzes Gespräch und wieder schrieb sie: solange sie lebt hätte sie nur einen Wunsch, mich zu sehen.

Und dann schrieb ich offen, dass ich unsere Mutter nie wieder sehen will und das der Grund ist, warum ich den Kontakt bisher nicht vertieft habe. Und sollte sie mich da hereinlegen und unsere Mutter bekommt das mit und steht dann vor mir, dann bin ich weg, und sie wird nie wieder etwas von mir hören und sehen. Sie hat mir zwar versprochen, dass sie von unserem Treffen nichts erfährt. Aber ich kenne sie nicht und ich weiß das man niemanden aus meiner Ursprungs Familie trauen kann. Und nach diesem Chat ging es mir schlecht.

Ich habe mir vorgestellt meiner Mutter gegenüber zu stehen und dann wurde mir auf einmal klar, dass ich das nicht ertrage. In mir hat alles gebrüllt. Jo weint, die kleinen sind am durchdrehen. Alleine die Vorstellung bringt mich zum Zittern. Und das macht mich wütend, weil ich merke wieviel Macht diese Frau noch hat. Sie ist jetzt 67 Jahre alt und alles in mir ist aufgebracht. Wie soll ich denn meiner Schwester begegnen, wenn alles sich in mir dagegen wehrt.

Aber sie kann ja nichts dafür, sie hat auch so viel erlebt - mit unseren Eltern erlebt, ist aber Co-Abhängig von unserer Mutter.

Ich habe sie einmal mit meiner Vergangenheit konfrontiert. Sie hat ihren Missbrauch weder verneint noch bejaht. Sie sagte wortwörtlich: "Er bekam keinen mehr hoch!"
Von ihr weiß ich, das "Er" 2010 gestorben ist. Er war an der Dyalyse und schwer krank. Sie erzählte mir, dass er trotz Beatmungsgerät weiterhin Zigaretten geraucht hat. Und das hat ihn eines Tages "in die Luft gesprengt". So waren ihre Worte.
Am gleichen Tag habe ich mit einer Bekannten darüber gesprochen, sie fragte mich wie es mir geht und ich konnte nur prustend sagen: "Mein Vater hat  sich in die Luft gesprenkt, mir geht es großartig!"  und dann fing ich an zu lachen  und konnte nicht mehr aufhören und sie ließ sich anstecken und so lachten wir bestimmt 15 Minuten lang, danach entschuldigte sie sich, weil sie ein schlechtes Gewissen bekam. Schuldgefühle wegen dieser Pietätlosigkeit. Da habe ich ihr ein wenig von meiner Kindheit erzählt.

Ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll. Alleine würde ich meine Schwester sowieso nicht treffen, meine Frau wäre dabei.

Ich habe Angst umzufallen, ich meine Ohnmächtig zu werden, Jo hat Angst wie ein Ballon zu platzen (das ist ihre Definition).

Wisst ihr ich habe so viel erreicht in meinem Leben und jetzt merke ich gerade das diese Frau noch so viel Macht hat, das macht mich wütend, richtig Wütend. Hört das denn nie auf. Ich war 18 als ich sie das letzte Mal sah. Das ist jetzt 30 Jahre her, ich bin kein Kind mehr, das man festhalten kann, missbrauchen kann, schlagen kann.

Warum haben diese Menschen nur so eine unglaubliche Macht?

Am liebsten hätte ich meiner Schwester gesagt: "Du siehst mich erst, wenn alle Tot sind, verwest, von Maden zerfressen!"

Das war das was ich ihr schreiben wollte, aber ich konnte es nicht. Weil sie ihre Mutter liebt, alles was sie will ist geliebt werden, von ihr, wie von mir. Sie tut mir unendlich leid.




Ich war nie so, ich wollte nie von meiner Mutter geliebt werden. Alles was ich wollte war, dass sie mich endlich in Ruhe lässt. Durch meine Schwester ist sie wieder präsent. Ich sehe ihre Bilder in ihrem Facebook Akount und ich könnte kotzen. Ich zwinge mich dazu mir bewusst zu machen, das sie 67 Jahre alt ist und das sie mir nichts mehr kann. Und trotzdem habe ich diese Vorstellung, ich sterbe wenn ich sie sehe.
Eine verrückte Vorstellung, ich bekomme einen Herzinfarkt und sterbe. Ich weiß das es irrational ist. Und trotzdem löst sie so was in mir aus... 

Ich hasse diese Frau nicht, aber ich verachte sie, ich misstraue ihr und ich empfinde immer noch Gefahr, wenn ich nur an sie denke. Vor vielen Jahren hat sie mich ausfindig gemacht. Sie hat mich angerufen und ich war am Telefon. Als ich ihre Stimme hörte hatte ich das Gefühl jedes Leben weicht aus mir. Von einer Freundin die mich zu diesem Zeitpunkt  besuchte, weiß ich, dass ich ganz normal und ruhig reagiert habe (wer weiß wer da reagiert hat, vielleicht Tommi). Ich selbst hatte das Gefühl sehr weit weg zu sein. Nach dem Telefonat bin ich umgekippt, einfach so, ich knallte einfach gegen die Wand und rutschte an ihr herrunter. Meine Freundin hat damals auf mich eingeredet und war kurz davor den Krankenwagen zu rufen. In meinem Kopf waren so viele NEINS die sich wiederholten, immer wieder und wieder.

Ich dachte ich sterbe. Aber ich bin nicht gestorben und trotzdem geht es mir immer noch so, dass ich alleine bei dem Gedanken sie wieder zu sehen, das Gefühl habe zu verschwinden.

Sie war dabei als man mich vergewaltigte, sie hat mich festgehalten. Sie hat mich gezwungen bei ihrer Abtreibung zu helfen. Sie hat meine Geschwister gegeneinander aufgehetzt und sie hat meine Schwester mit einer Zigarette verbrannt. Sie war bei allem dabei, sie hat nichts gegegen getan. Im Gegenteil, wegen ihr hätte unser Vater mich beinahe getötet.

Sie ist kein guter Mensch.

Meine Mutter ist ein  Monster und ich glaube nicht daran, dass sie sich verändert hat.
Obwohl ich ein toleranter Mensch bin, glaube ich nicht daran, dass ein Mensch wie sie sich überhaupt verändern kann.
Sie hat ihre Kinder verkauft und zugelassen das man uns vergewaltigte, das man uns halb tot schlug. Sie hat auf uns runter gelacht, uns vernachlässigt und uns fast verhungern lassen. 
Ja ich bin Wütend.
In  mir steckt noch eine andere Angst, vor ihr zu stehen und sie zu schlagen, für das was sie mir und meinen Geschwistern und all  den fremden Kindern antat.
Die Angst die Kontrolle zu verlieren.

Verdammt ich bin eine Löwin wenn es um mein Kind geht.
Wie konnte meine Mutter all das zulassen.
Sie hat uns geboren.

Nein in mir ist schon lange  keine Trauer mehr. Und das stückchen Toleranz ihrem Leben gegenüber, ihrem Leid gegenüber, rauche ich gerade in der Pfeife. Keine Mutter egal was sie je erlebt hat, darf das ihren Kindern antun. Sie hat Versagt. Sie war nie meine Mutter, sie wird es nie sein. Hier und Jetzt lass ich sie sterben.
Hass ist es nicht. Denn Hass würde mich zerfressen. Es ist Wut, ja, es ist ein Gefühl der Klarheit. Ich will sie nie wieder sehen, nie wieder!

Ich zittere immer noch... aber so allmählich kommen die kleinen in mir zur Ruhe und Jo hat aufgehört zu weinen.
Sie merken, das ich auf ihrer Seite bin. Sie sind nicht alleine.

Ich bin da...

Und ich bin gerade jetzt verdammt stark.
Ich bin Mutter und ich werde meinem Kind niemals Leid antun, das schöre ich Johanna jetzt und hier.
Ich bin eine Löwin.
Alles was ich jetzt tun kann, ist es besser machen.
Und in mir ist der Wunsch, das mein Kind mir eines Tages sagt:
"Ich hatte eine schöne Kindheit Mami!"
Als sie drei Jahre alt war, sagte sie:
"Mami ich will dich heiraten, wenn  ich groß bin!"
Alle haben es in mir gehört und alle haben gelächelt.
Heute ist sie fast 7, es vergeht kein Tag an dem sie sagt:
"Ich liebe dich Mami!"

Ich habe das noch nie zu meiner Mutter gesagt.
Manchmal ist die Stärke eines Kindes nur ein Hauch im Wind. Das war die einzige Stärke die ich hatte ...
Jetzt muss auch ich ein wenig Weinen... Aber in mir ist es ruhig, der Sturm ist gelebt.

Mein Zittern ist weg.


Einfügung: Wir haben beschlossen meine kleine Schwester kennen zu lernen. Wir wissen nur noch nicht wann... und wo.
Es muss ein geschützter Rahmen sein und ich werde meine Frau und meine beste Freundin mitnehmen.

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