Montag, 24. Februar 2014

Wenn der Körper brüllt




Wo sitzt der Kopfschmerz wirklich, der hämmert und sägt und hinter den Augen pocht?
Heute ist so eine Nacht.

Wenn mich ein Arzt nach meinen Diagnosen fragt, bekommt er garantiert nur einen Teil davon zu hören, auf dem Heimweg fällt mir dann der Rest ein. "Ach Schitt, das hätte ich ihm noch sagen sollen... so ein Mist" hör ich mich selbst fluchen.

Ich habe:
Asthma
Fibromyalgie
Rheuma
Osteochondrose
Spondylarthrose
Arthrose Finger und Fußzehen, beide Schultergelenke (Omarthrose)
Reizdarmsyndrom (womöglich irgendso ein ... Crohn)
Hashimoto Thyreoditis
Spannungskopfschmerzen
DIS
Posttraumatische Belastungsstörung
Myofasiales Schmerzsyndrom (mein Kiefer kracht und schabt)
Nachtblindheit
Ohne Brille sehe ich so viel wie ein Maulwurf im Regen
Narben in der Gebärmutter und am Gebärmutterhals die meine Schwangerschaften frühzeitig beendeten (das Baby kann sich nicht lange an den Narbengewebe halten)
Ausserdem habe ich Yersinien, zumindest hat man es 2001 in meinem Blut gefunden, das war der Grund warum eine Weile alle möglichen  Professoren um mein Klinikbett standen und mit Latainischen Vokabeln um sich warfen. Woher ich das Zeug habe, weiß kein Mensch. Man nahm damals an, dass sie verantwortlich sind, für eine Reihe von entzündlichen Vorgängen in meinem Körper.
Und mein Imunsystem ist außer Betrieb, ich muss nur an einem Taschentuch vorbei laufen um eine Erkältung zu bekommen.

Ich glaube da war noch irgendwas, sollte es mir wieder einfallen, schreibe ich es als Anhang unter dem Text.

Die meiste Zeit meines Erwachsenenlebens hat mein Körper Scheiße gebrüllt und es gab Tage da wünschte ich mir ein Ersatzteillager um mich ein wenig aufzuhübschen, eine Schraube dort, ein Nagel hier... Ein wenig Plastolit für meine Knochen.
2000 zur Sonnenfinsternis lag ich im Krankenhaus, total Ausfall. Mein Körper machte einfach Schlapp. Ich habe Monate gebraucht und einige weitere Klinikaufenthalte um wieder einigermaßen Fit zu sein.
Aber richtig erholt habe ich mich nie davon. 

Meine damalige Therapeutin meinte, ich hätte all meine Schmerzen aus meiner Kindheit erneut erlebt. Ein Wunder das ich das als Kind überlebt habe, denn damals war das Wort Klinik nicht in meinem Vokabular zu finden. Ich hatte viele Asthmaanfälle als Kind und ich erinnere mich, das ich Nächtelang am offenen Fenster saß, mit gebeugten Oberkörper. Man hat mich im ganzen Ort gehört, das rasselnde pfeifende ein und aus meiner Lunge.

Eigentlich müsste ich zum Versorgungsamt und endlich meinen Grad der Behinderung prüfen lassen. Momentan stehe ich noch auf 30 % wegen meines Asthma, der Rest wurde nie geprüft... ich fang ja jetzt erst an, mich zu öffnen, außer meiner Frau, einigen Freunden, meinem Hausarzt und diversen Ärzten aus den unterschiedlichen Kliniken (die mich schon längst wieder vergessen haben), weiß nur meine Krankenkasse über meinen brüllenden Körper bescheid. 

Letzens las ich einen Artikel über das Opferentschädigungsgesetz, da blinkten einige Fragezeichen in meinem Kopf auf. Aber gleich darauf wurde mir klar, das ich wohl keine Chancen habe - wo kein Kläger da kein Richter.

Meine Akte ist geschlossen, die Sache verjährt. Heute habe ich mich noch ein wenig intensiver damit beschäftigt und das Resultat sind meine bohrenden Kopfschmerzen.
Die einzige die ich noch anzeigen kann, wäre meine Mutter, die ich seit meinem 18 Lebensjahr nicht mehr gesehen habe. Die jetzt 67 Jahre alt ist.
Ist es das Wert?
Soll ich diese Frau vor Gericht zehren um öffentlich Opfer zu sein, für was, für eine Entschädigung an meiner Gesundheit, meinem Leben, meiner Wirbelsäule, meiner Psyche?

Sie wird alles abstreiten. Stress, weiterer Schmerz, Erinnerungen... NEIN.
Was auch immer dabei herauskommen könnte, das ist es nicht wert.

Ich bewundere die Menschen die diesen Weg gehen, sie brauchen unglaublich viel Kraft und Energie und einen Rückhalt so stark wie ein Berg.

In meinem Kopf tief innen tönt es: "Ich will nur meine Ruhe, in Ruhe alt werden. Mehr will ich nicht" 
Lings der in Ruhe alt werden möchte und Sweppi die Radfahren lernen will und Jo die gerade an ihre kleinen Hasen denkt... 
Ich bin kein Opfer und mein Körper kann noch so viele Diagnosen haben und mein Kopf kann mir ein Trommel Stakato vorspielen.
Das einzige was ich in nächster Zukunft tun werde ist meinen Behinderungsgrad noch einmal prüfen lassen, in der Hoffnung das ich dann mit den erfreulichen 50% eine ermäßigte Kinokarte erhalte.

Meine Mutter will ich nie wieder sehen, nichts hören, nichts wissen. Mir reicht die Erinnerung an sie, die sich manchmal wie Säure durch meine Gedärme frisst. 
Ich habe Mitgefühl (kein Leid) mit ihr und ihrem Leben, ich weiß heute, das alles irgendwann anfing, viele Jahre vor meiner Geburt. Das Leid zog sich wie ein roter Faden durch die Geschichte meines Stammbaums. Meine Mutter wurde wie ich, zur falschen Zeit am falschen Ort geboren. Sie war einst Opfer einer Rassentrennung. 
19 Jahre vor mir, also 1946 ein Jahr nach Ende des zweiten Weltkrieg kam sie als ein Mulattenkind zur Welt, das Ergebnis einer Weißen und eines schwarzen US-Soldaten. 
Weggeschoben in unterschiedlichen Heimen wuchs sie auf, wurde Hure und heiratete dann meinen Vater, ihren Zuhälter. 

Auch ich bin so ein Mulattenkind, nur sagt das kein Mensch mehr. Mulatte bedeutet, das man sowohl hellheutige als auch farbige Vorfahren hat. In Amerika und Afrika sagt man noch heute Coloured / Farbige.
Meine Mutter musste ihre komplette Kindheit darunter leiden, das sie keine weiße war. 
Ich selbst bin sehr hellhäutig mit sehr hellen Augen,weil mein Körper zu wenig Melanin bildet. Gestört hat es mich nie, aber es gab Zeiten, da fühlte ich mich unter schwarzen viel wohler als unter weißen. Als mein Körper noch tanzen konnte und ich im Rythmus der Musik Zeit und Raum verlor. Aber das ist schon lange her. 

Meine Mutter hat viel erlebt und ihr Erleben weiter gegeben an ihre Kinder und deren Kinder.
So zieht es sich das Leid  seit Generationen durch meine Familie.

Ich habe vorhin den Eintrag von Yen gelesen - ich verstehe ihre Gedanken heute besser als früher. Auch ich bin mittlerweile froh, keine eigenen Kinder zu haben. Ich weiß nicht ob Grausamkeit, Soziophatie und Sadismus mit den Genen vererbbar ist.
Es spielt auch keine Rolle mehr, ich kann dieses Gen - sollte es vorhanden sein - nicht weiter geben, ich habe meine Tochter nicht geboren.

Ich bin froh, das ich trotzdem Mutter sein kann, mit allen Sinnen. 
Auch wenn mein Körper nicht richtig funktioniert, mein Herz konnte nicht gebrochen werden.
Das zeigt mir meine Tochter jeden Tag.

Ich wünsche euch eine gute Nacht... ich fang jetzt mal an meine Schläfen zu kneten, in der Hoffnung das mein Kopf das Hämmern einstellt.
Alles liebe von Jo

Und Johanna die ein wenig korrigiert hat :)




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