Mittwoch, 26. Februar 2014

die vielseitige Vielseitigkeit




Womit wir große Probleme haben:

Jo: Ich kann es nicht ertragen, wenn jemand schreit. Das ist dann auch egal, ob sich Nachbarn laut unterhalten, oder ein Kind brüllt. Es tut mir in den Ohren weh und ich trigger so vor mich hin. Mein Herz fängt an wie blöd zu klopfen und ich hab dieses Sausen im Kopf, ich geh dann automatisch ins Innen und bin dann nicht mehr da.
Ich bin so froh .... soooo froh, das Shaya nie so doll geschrieen hat.

Wir haben einmal neben einer Disko gewohnt. Ab Freitag ging es los, Betrunkene die mit ihren Bierflaschen in den Händen auf dem Bürgersteig standen und laut mit einander stritten.
Die Streiterei wird immer aggresiver und lauter, die Bierflaschen kullern über den Asphalt, mir wird schlecht. Das erste was passiert ist Herzrasen, dann kommt die Übelkeit.
Ich ertrag das nicht, diese Lautstärke, diese Stimmen, diese Streitereien. Ich will das es ruhig ist. Ich werde dann selbst aggressiv, ich habe darüber nachgedacht, den Leuten da draußen Wasser über den Kopf zu schütten, damit sie aufhören sich gegenseitig anzubrüllen.

Was ich auch nicht mag, sind bestimmte Gerüche: Zigarettengeruch - den bekomme ich auch dann mit, wenn einige Häuser weiter geraucht wird und das Fenster gekippt sind. Wenn ich mich dann darüber beschwere, riecht niemand etwas außer mir. Zigarettengeruch ist für mich ganz schlimm.


Johanna: Abgestandenes Bier, Schweiß, Zigaretten an Menschen sind für uns der Horror. Das ist auch ein Grund warum wir ungerne zwischen Menschenmengen sind.

Jo: Letzens waren wir in einem kleinen süssen Kaffe, unsere beste Freundin hat uns zum Hochzeitstag dorthin eingeladen, dort war eine Frau die ihrem Hund am Ohr zog. Sie war sehr laut und schimpfte ein paar mal laut mit dem Hund. Ich wollte am liebsten ganz weit weg rennen, weg von ihr. Ich kann solche Leute nicht ab.
Ich kann da nix gegen machen, ich will so Menschen nicht um mich herum haben. Sie erinnern mich an früher.

Johanna: In solchen Situationen reagiert unser Körper extrem, uns wird kalt, uns wird übel, manchmal bekommen wir Bauchweh, Kopfschmerzen, ein Gefühl als würde sich der Raum verändern, enger werden, als würde die Luft um uns herum schwirren. Jo beschreibt das als Sausen, es ist ein Gefühl wie Watte im Kopf und dann sind wir weg. Von Außen sieht das dann so aus, als wären wir vollkommen Abwesend. Da ich noch funktionieren muss, bekomme ich alles wie in Watte getaucht mit. Ich antworte einsilbig, ich muss dann aufpassen, das ich nicht über meine Füße stolpere, meine Hände werden kalt und klamm.
Wenn man dann etwas zu mir sagt, geht das Gesagte, wie durch ein Sieb durch mich hindurch.


Jo: Während solcher Situationen habe ich mich schon verlaufen, oder "erwachte" wieder und wusste nicht wo ich war.

Johanna: Ein paar mal passierte es während des Autofahrens, ich befand mich auf einer Straße die ich nicht kannte. Ich hielt an um mich zu orientieren. Tief durchatmen, Augen schließen, nach innen bitten das jemand kommt um mir zu helfen.
In solchen Momenten springt Lings ein. Er sagt mir was ich tun muss:
"Fahr solange gerade aus, bis du ein Straßenschild siehst, dann mach das Navi an, konzentrier dich auf die Stimme im Navi, du schaffst das!" Die Straßenschilder helfen bei der Orientierung, Straßenschilder bedeuten, hier sind Menschen, alles im grünen Bereich.

Jo: Ich gehe nie alleine auf Feste, noch auf Geburtstage oder sonstigen Feier. Es kann immer passieren, das wir geflasht werden und dann dissoziieren.
Meist fühle ich es bereits vorher und greif schnell nach Brittas Hand.
Britta ist die einzige Person die mich dann berühren darf und die ich berühren will.

Es gab Situationen da disoziiere ich und niemand bekommt es mit, ich wechsel mich dann im Eiltempo mit Johanna ab. Johanna übernimmt dann die Kontrolle, oder Lings.

Wir waren mal auf einem Geburtstag eingeladen, da war eine Frau die Biologie studierte, ich habe sie gefragt ob sie denn kein Problem hat mit Tierversuchen, sie wollte mir dann erzählen, das diese Tiere dazu gezüchtet werden, sie fand Tierversuche gut und ich musste die ganze Zeit an die Tiere denken, die durch sie sterben. Alleine das hat bei mir einen Flash ausgelöst. Johanna wollte den Geburtstag verlassen, sie war total entsetzt und dann kam Lings und hat mit der Frau eine Diskussion angefangen, ein heftiger Schlagabtausch. Ich weiß das nur, weil mir Britta davon erzählte.

Ich hab angst vor Menschen, sie sind so unzurechenbar (Johanna: Unberechenbar :) ), eigentlich kann man sich auf nix verlassen. Mal lächeln sie und im nächsten Moment sind sie wütend.
Ich mag keine Diskussionen die dann im Streit enden, da ist das worüber man diskutiert hat vollkommen egal, in wahrheit geht es nur darum seine Meinung durchzusetzen. Ich kann auch nicht verstehen, warum homophobe Menschen in Foren von Homosexuellen gehen, oder warum Fleischessende Menschen einen negativen Kommentar zur veganen Nahrung schreiben.
Für mich ist das total daneben. Wenn das doch gar nicht mein Thema ist, warum mach ich es denn nieder. Dämlich.

Johanna: Ich gehe Menschenmassen auch aus dem Weg. Wir haben alle ähnliche Erfahrungen gemacht wie Jo. Menschen sind nicht Linear. Wenn in uns so viele Anteile vorhanden sind, die alle ein Eigenleben haben, dann ist das nichts Menschenfremdes, wir wissen um der Anteile, uns ist bewusst, dass es Wiedersprüchlichkeiten in unserem Verhalten gibt.
Durch dieses erkennen, sind wir sehr ehrlich mit unseren Gefühlen.

Jo: Ich glaube den meisten Menschen sind diese Anteile nicht bekannt, sie fühlen sich im Recht, wenn sie ihre Meinung anderen aufzwingen. Weil sie der Meinung sind, nur diese eine Meinung ist die Wahrheit. In uns sind viele Meinungen, manche gleichen sich, andere sind sehr verschieden.

Johanna:  So denkt nicht jeder, das ein naturnahes Leben in einem Campingbus das Non Plus Ultra ist.
Für Lings jedoch ist es das.
Jo würde gerne in einer kuschligen kleinen Wohnung leben. Ich brauche viele Räume um mich herum.
Jo mag dunkle Wände, ich helle.
Lings mag Grün und Brauntöne und am liebsten würde er auch seine Kleidung in der Herrnabteilung von Jack Wolfskin kaufen (das haben wir früher auch einige Male gemacht). Ich liebe Kleider, Blumen, hellblau, rosa und bordeaux. Jo liebt schwarz und grautöne.
Rechts mag dunkelblau und Lila.

Manchmal denke ich, wir haben den ganzen Regenbogen in uns zur Verfügung.

Es gab eine Zeit, da trug ich wahnsinnig gerne Blümchenkleider. Damalige Freunde fanden das befremdlich.

Jo: (Lach) Der Blick in unseren Schrank war befremdlich, zwischen Blumenkleider und zarten spießigen Blusen,  lagen verstreut Punkklamotten und Arbeiterhemden :)

Johanna: Die Ängste die wir haben, sind alle durch unsere Vergangenheit begründet. Wir wissen davon. Manchmal umgehen wir Begegnungen die Ängste auslösen können. Aber oft genug stellen wir uns diesen Ängsten.
Und das Gefühl es geschafft zu haben, hindurchgegangen zu sein, trotz Herzrasen- ist unbeschreiblich.

So haben wir unsere Angst vor Spinnen besiegt.

Sweppy: Ich hab mal ganz lange im Schrank gesessen. Und als ichdann wieder rauß kam. Da hatte ich Spinnen im Haar und auf dem Arm. Ich hab nur geschrien...

Johanna: Vieles was wir erlebt haben, haben wir nur deshalb Überlebt, weil wir uns innerlich abgewechselt haben, weil wir Viele sind.
Wenn ich heute merke, dass ich in einer Situation bin, die mich an den Rand meiner Kraft bringt, geh ich ins Innen und bitte um Kraft.

Jo: Ich bin etliche Male die Treppe hinunter gefallen, weil ich während ich die Treppe hinauf ging, disoziiert habe. Der Schmerz als ich unten ankam, konnte ich nur deswegen gut aushalten, weil Lings oder Rechts ihn übernahm.

Johanna: So schafften wir es, unsere Verletzung zu verbinden und unseren Altag weiter zu führen.

Auf diese Weise können wir trotz Verletzungen weiter machen, als wäre nichts geschehen. Natürlich kommen die Schmerzen irgendwann an die Oberfläche, oft wenn der Jenige der den Schmerz aufgefangen hat, am Schlafen oder Ausruhen ist. Aber auch das ist etwas, das uns nicht fremd ist. Mit Schmerz können wir umgehen, weil wir ihn in seinen vielen Fassetten kennen.

Viele Sein bedeutet nicht, das wir zu bemitleiden sind, ich denke wir haben einen großen Vorteil zu anderen Menschen, wir sind nie alleine und die Stimmen aus dem Inneren machen uns keine Angst.
Wenn ich wirklich mal meine Ruhe haben will, kann es vorkommen, das ich mit meinen Innenpersonen laut spreche.

Jo: Ich sag dann "Klappe"! Wenn ich keinen Bock auf dieses Gequatsche im innen habe. Oder ich hör laut Musik

Johanna: Ich spiele Klavier, ein tolles Instrument um im Innen Ruhe zu haben.

Sweppy: Ich tanze.

Lings: Ich blättere im Ikea Katalog, oder einem Katalog aus dem Gartencenter.

Rechts: Ich fang an zu stricken, oder häkeln, das entspannt mich sehr.

Johanna: Wir haben alle unsere Methoden, die Schreiberin schreibt, die Malerin malt. Wir kuscheln mit den Katzen, gehen nach Draußen in den Garten, ich miste zum Beispiel auch gerne den Stall aus.

Das ist das Perfekte am Viele Sein, diese Vielseitigkeit.

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