Montag, 12. Mai 2014

Gefühl - Schmerz




Wenn die meisten über das Wort: Gefühle nachdenken, kommt ihnen als erstes ein Gefühl für einen Menschen, dann der Begriff: Liebe. Etwas später vielleicht, die negative Variante: Hass usw.

Gefühle sind menschlich, sind das was uns gehört, womit wir uns identifizieren.
Wenn ICH an Gefühle denke, kommt mir zuerst der Begriff: Schmerz und der ist menschunabhängig. Ich denke an die Tiere die ich um mich habe und dann erst an mich.
Ich vergleiche meinen Schmerz mit dem der anderen Wesenheiten und komme zu einem eindeutigen Ergebnis: Wir unterscheiden uns nicht, wir sind gleich, im Sinne von Fühlen.

Liebe ist etwas abstraktes, dieser Begriff beinhaltet unterschiedliche Gefühle, wird aber oft nur als Eines deffiniert: herzig schön himmlich eingetaucht in harmonie - Quark!
Liebe tut in erster Linie weh, weil man dauernd damit konfrontiert ist, dass man den, den man Liebt auch wieder verlieren kann. Erst in zweiter oder dritter Instanz ist es schön und das auch nicht auf Dauer, sondern nur für den Moment.
Ich bin ziemlich realistisch, was Liebe betrifft.
Ich liebe die Liebe zu meiner Familie, aber ich weiß auch dass sie mich zerstören kann, wenn meine Tochter oder meine Frau für immer aus meinem Leben verschwinden. Liebe macht mich Abhängig. Sie gibt mir Sicherheit und nimmt sie mir im gleichen Moment wieder weg.

Der Begriff Gefühl beinhaltet alles was wir tun, ohne Gefühl ist es nahezu unmöglich etwas zu tun, oder zu lassen. Auch die Jenigen die von sich behaupten sie seien Rational, werden von ihren Gefühlen getragen, auch wenn diese sehr kontrolliert durch Logik verbunden werden, sind sie da, sie entscheiden letztendlich welches Ergebnis die Handlung bringt.

Könnt ihr euch an Spock erinnern, den ersten Offizier von Star Treck? Der Schauspieler hat versucht einen Alien ohne Gefühle darzustellen und hat sich hauptsächlich der Mimik bedient. So hat Spock nicht die "Typischen Anzeichen" von Gefühlsregung zeigen dürfen, nicht lächeln, nicht zwinkern, nicht die Stirn in Falten legen usw.

Wir sind alle auf diesen Trick herein gefallen und haben ihn als Gefühllos betrachtet.
Wenn wir uns Gefühle bedienen geschieht es also automatisch, dass Muskeln, Haut, Bewegung usw. Signale senden.
Bleibt die aus, irritieren wir unsere Mitmenschen und gelten eher als Rational. Beides spielt also eine große Rolle. Spieler lernen, dass sie nur dann gewinnen wenn sie bluffen, keine Regung zeigen und sich daher von ihren Gefühlen äußerlich entfernen um den Mitspieler zu verwirren.

Ein gutes Blatt im Poker hat der Jenige der die eisigste Miene aufsetzt und den Anderen mitten in die Augen schaut, zumindest nehmen das einige an.
Diese Kontrolle über Gefühlsregungen ist im Spiel geradezu Voraussetzung, während sie aber im Alltag sehr negativ gedeutet wird. Jemand der Schmerzen hat, aber so tut als sei er Fit wie ein Turnschuh, wird nicht ernst genommen, wenn er sagt: "Mir tut alles weh!"

Jemand der Schmerzen hat und fast am Boden kriecht, aber behauptet: "Mir geht es gut!" wird genauso wenig ernst genommen.
Meist werden diese Menschen ignoriert, weil man dann besser mit der Tatsache klar kommt, dass sie einen belügen. Der Schmerz selbst spielt dabei keine Rolle. Es geht nur um das was der andere einem mitteilt.

Bei Menschen die Schmerzen haben und das auch bewusst sagen, geschieht oft etwas merkwürdiges, auch sie werden ignoriert, oder ausgegrenzt.
Weil sie bewusst machen, das nichts ewig ganz bleibt. Sie tragen ein Schild um den Hals mit den Worten: "Ich bin DEFEKT!"

Genauso geht es mir. Ich bin Defekt!
Heute Nacht hatte ich einen Traum, mir wurde mitgeteilt, dass ich einen Schlaganfall habe. Ich wachte mit Herzrasen auf. Ein Minutenschlaf der mir mal gegönnt war und das Aufwachsen war dementsprechend sehr unangenehm. Tiefschlaf ist etwas, dass für mich nie erreichbar ist. Der Remzustand etwas das ich nur aus Büchern kenne. Ich schlafe immer nur Minuten, dann wache ich auf, weil mein Körper Gefahr signalisiert. Auch dann wenn alles um mich herum in Harmonie ist. Diese Feuersirene kann durch ein trippeln meiner Katzen ausgelöst werden, oder weil meine Frau sich im Bett umdreht. Oder weil unsere Tochter zur Toilette muss.
Ein Geräusch draußen bringt mich dazu wie eine hochgeschoßene Pflanze fast an der Decke zu hängen.

In all den Jahren habe ich es nicht geschafft eine Nacht ruhig durchzuschlafen.
Oder einen Tag schmerzfrei zu sein.

Beides, der Schmerz und die Dauermüdigkeit kontrollieren mein Leben, meinen Alltag. Ich könnte Schlafmittel nehmen, aber ich will es nicht, aus Angst vor Abhängigkeit. Schmerzmittel nehme ich begrenzt, aus Angst vor Gefühllosigkeit. Ich habe mich noch nie richtig weggebeemt. Schmerz ist für mich nicht nur was negatives, ich fühle mich. Ich bin da, mich gibt es. Wenn mein Rückgrat pocht zeigt es mir, das ich am Leben bin. Wenn ich so starke Krämpfe habe, das ich schreien könnte, muss ich in Aktion gehen, um zu entkrampfen. Schmerz lässt mich wach werden, aus meiner Dauermüdigkeit.

Gesellschaftlich bin ich ein Wrack. Es gibt oft Momente, da wünschte ich, es gäbe ein Ersatzteillager für Gelenke, Wirbel, Muskeln und Knochen, aus dem ich mich bedienen kann.
Vielleicht faszinieren mich deshalb Filme über Roboter, wie Wall-E, oder A.I.-künstliche Intelligenz.

Ich habe manchmal solche Wünsche wie: Joggen, Radfahren, oder einfach nur am Gehege weiter arbeiten (wir bauen momentan an einer Voliere für die Kaninchen, danach an einer Voliere für die behinderten Katzen, dann müssen wir noch Zäune neu errichten und die Schafe brauchen einen neuen Unterstand), ohne Schmerzen. Sehen wie ein unvollendeter Zustand vollendet wird und das durch meine Kraft und meine Gelenkigkeit.

Gesund zu sein, ist etwas das es für mich nur als Wort gibt, nicht als das was ich kenne. Ich war noch nie gesund. Behindert zu sein ist ein Makel den ich mit mir trage, als sei es eine zweite Haut.
Ich habe Jahrelang so getan, als sei ich nicht behindert. Ich sprach nicht über meine Behinderung, ich tat so als sei ich Intakt. Ein Leben der Lüge, ist keine Alternative mehr für  mich.

Aber ein Leben in Wahrheit macht manchmal einsam und hilflos.
Gerade jetzt fühle ich mich sehr hilflos, momentan ersaufen wir fast in Arbeit. Einer unserer Tierhof Helfer hat Probleme mit Jo und ist abgesprungen. Wir versuchen wieder einmal zu zweit etwas aufzubauen, wofür es mindestens mal 4 Leute braucht. Ich weiß das wir das schaffen, aber ich weiß auch zu welchem Preis.
Das Jahr wird rumgehen und wir werden die Volieren und Ställe errichtet haben und danach bin ich fertig und Britta ebenso.

Der Preis für meine Schmerzen, ist der Blick in ein zufriedenes Tiergesicht, ich weiß das war es wert, spätestens dann, wenn unsere Kaninchen durch ihr Gehege hoppeln, weiß ich es!

Schmerz ist etwas das ich nicht will, aber brauche, denn ohne diesen Schmerz, hätte sich vielleicht nicht dieses Mitgefühl anderen Lebewesen entwickelt.
Mein Schmerz ist mein Ventil, mein Schmerz ist meine Begrenzung, mein Halt, mein Anker.
Mein Feind wie mein Freund.

Es gibt Momente da möchte ich diesen Schmerz über Bord werfen und sehen wie er langsam im ewigen Strudel des Meeres versinkt. Aber ich weiß auch, dass ich dann nie wieder die sein werde, die ich heute bin...

Ein Trost! Denn ich bin eigentlich ganz gerne ICH/WIR.

...

Bildquelle: Frida Kahlo: gebrochene Wirbelsäule.
Frida Kahlo ist für mich eine Inspiration, sie hat ihr komplettes Leben in schmerzhaften Zuständen verbracht... Für mich ist sie so etwas wie ein Vorbild und ich liebe ihre Bilder, bunt und voller Leben, zeigen sie die Tragik dahinter, ungeschminkt und wahr.





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